"Ich höre noch seine Stimme, spüre seine Nähe"

Die Freundin des erschossenen SEK-Mannes Roland Krüger kann den Verlust noch nicht begreifen

 

Es duftet nach frischem Kaffee. Auf einem Teller liegen Süßigkeiten, Gebäck wird gereicht. Während Rottweiler Rico unter dem Tisch träumt, kommt aus dem Kinderzimmer die 16-jährige Denise mit ihrer zehn Monate alten Stiefschwester Kim auf dem Arm. Die Mutter des süßen Babys lächelt, als sie ihren Schatz sieht. Eine glückliche Familie, so könnte man meinen. Doch der Schein trügt. Das Lächeln ist müde, ein Schleier der Trauer liegt auf dieser Wohnung in Buckow: Dort lebte bis zum 23. April der Berliner Elite-Polizist Roland Krüger. An jenem Tag wurde der 37-Jährige von einer Kugel in den Kopf getroffen. Die einst strahlenden Augen seiner Lebensgefährtin Birgit sind seitdem mit Tränen gefüllt.

"Ich will nicht glauben, dass Roland nie mehr da sein wird. Noch immer höre ich seine Stimme, spüre ihn ganz nah bei mir. Unsere Seelen sind miteinander verbunden", tröstet sich die 37-Jährige. Nachts kuschelt sie sich an eine Plüschkatze, die ihr Freund ihr geschenkt hatte. Seine Sachen liegen noch an denselben Stellen wie vor dem tragischen Ereignis. Es ist noch zu früh für die Frau, den Verlust wirklich zu begreifen. Heute auf den Tag genau vor drei Wochen starb Roland Krüger. Vier Tage zuvor war er in einer Wohnung an der Kienitzer Straße in Neukölln tödlich getroffen worden.

Er hatte mit dem Spezialeinsatzkommando (SEK) einen Haftbefehl gegen den 33-jährigen Yassin A. vollstrecken wollen. Als Roland Krüger in die Wohnung stürmte, eröffnete der Libanese das Feuer. Während sein 33-jähriger Kollege in Gesäß und linken Unterschenkel getroffen wurde, bohrte sich eine Kugel in das Gehirn des 37-Jährigen. Als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war er bereits klinisch tot.

"Ich war an jenem Tag bei meinen Eltern zu Besuch. Plötzlich klingelte das Telefon. Der Anruf war für mich. Ein Kollege meines Lebensgefährten sagte zu mir, dass er mit mir reden müsse. Mein Vater schaltete den Videotext ein, und dort stand, dass ein SEK-Beamter erschossen wurde. Doch noch immer wollte ich nicht glauben, dass der Tote Roland ist. Erst als sein Chef vor der Wohnung stand, wurde mir bewusst, dass es sich bei dem getöteten Polizisten um meinen Lebensgefährten handelt. Ich eilte ins Krankenhaus, um ihn noch einmal zu sehen. Der Arzt sagte mir, dass Roland klinisch tot sei und die Nacht nicht überleben werde. Doch ich konnte das nicht glauben. Er lag in seinem Bett, als ob er schlafen würde. Nur ein kleines Pflaster klebte in seinem Gesicht", schilderte die 37-Jährige die Geschehnisse des 23. April.

Sie habe die kommenden vier Nächte fast ununterbrochen am Bett ihres Freundes gewacht, ihn gewaschen und immer wieder mit ihm geredet. "Er hatte immer so einen starken Willen. Deshalb auch hat er nicht nur die Nacht nach dem verhängnisvollen Einsatz, sondern auch noch drei weitere Nächte überlebt. Der Arzt sprach von einem medizinischen Wunder."

Doch nicht nur Roland Krüger hatte einen eisernen Willen, auch seine Lebensgefährtin besitzt Durchsetzungsvermögen. "Obwohl mir der Arzt geraten hatte, meinen Freund nicht mehr zu sehen, bin ich ins Krankenzimmer gegangen. Auch unser gemeinsames Baby habe ich mitgenommen. Ich bin mir sicher, dass sich Roland noch verabschieden wollte. Als unsere kleine Kim an seinem Bett war und ihm wie immer mit dem kleinen Finger ins Auge piekte, glaubte ich, dass er zu uns sehen würde. Vielleicht hat er noch mehr wahrgenommen, als wir dachten."

Doch am 27. April erlosch auch die letzte Hoffnung: Die Organe des Polizisten versagten. "Seine Kollegen kümmern sich seitdem rührend um mich. Auch meine große Tochter und ihr Freund kommen nach der Schule gleich nach Hause, damit ich nicht allein bin. Sie geben mir Kraft weiterzuleben."

Doch die Sorgen sind groß. Neben der unendlichen Trauer drücken die 37-Jährige auch finanzielle Probleme. Da sie mit Roland Krüger nicht verheiratet war, stehen ihr auch keine Versorgungsbezüge zu. Lediglich die kleine Kim erhält eine Halbwaisenrente. Deshalb hat der von der Berliner Morgenpost initiierte Verein "Berliner helfen e. V." zu Spenden für Birgit und ihre Familie aufgerufen. Bislang gingen bereits etwa 30 000 Euro ein.

Das Geld kann ihr zwar den geliebten Lebensgefährten nicht wiederbringen, aber zumindest helfen, die Versorgung der Familie zu sichern. "Ich danke den Lesern der Morgenpost von ganzem Herzen für ihre Anteilnahme", sagt Birgit. Sie verspricht, trotz des Schicksalsschlags kämpfen zu wollen. "Nach dem Mutterschutz werde ich wieder als Hauskrankenpflegerin arbeiten und Geld verdienen. Ich werde meinen Kindern eine gute Mutter sein. Das hätte auch Roland so gewollt."

Wenn Sie helfen wollen: Berliner helfen; Stichwort: SEK-Beamter;

Konto 630 025 150; BLZ 100 500 00

 

Quelle: Berliner Morgenpost vom 18.05.2003 Dirk Nase

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